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ACREDIA Insolvenzstudie

In vier von fünf Ländern für 2020 mehr Pleiten erwartet

Gudrun Meierschitz, Vorständin ACREDIA Versicherung AG
  • Österreich: Anstieg der Insolvenzzahlen (+1,5-2%)
  • Weltweite Insolvenzen steigen 2020 um weitere 6%, Chile mit stärkstem Anstieg
  • Schwächelnde Weltwirtschaft, politische Unsicherheiten und Handelskonflikte als Ursache
  • Deutschland erstmals wieder mit Zuwachs (+3%)
  • USA und Kanada mit Anstieg (+4% und +5%)

Österreich: Anstieg der Insolvenzzahlen in 2020 

In Österreich kam es im Jahr 2019 bei den Insolvenzzahlen zur Trendwende – nach Jahren mit rückläufigen Zahlen gab es im abgelaufenen Jahr erstmals wieder eine leichte Zunahme von 1,4%. Mit 29 Großinsolvenzen (Passiva größer gleich 10 Millionen Euro) kann doch ein mögliches Signal für die Zukunft erkannt werden. Im Vergleich zu 2018 (18 Großinsolvenzen) wurde hier ein beachtlicher Anstieg von 61% verzeichnet. Die TOP 3 Branchen sind – wenig überraschend – wie auch bisher das Gastgewerbe, die Bauwirtschaft und die unternehmensbezogenen Dienstleistungen.  Im Langfristvergleich hält sich Österreich mit rund 5.000 insolventen Unternehmen bezogen auf die Anzahl aller Unternehmen allerdings stabil. 
Die österreichische Wirtschaft befindet sich in einer Phase mäßigen Wachstums. Die hohe Dynamik der Vorjahre hat sich deutlich abgeschwächt. Hatte Österreich 2018 noch ein BIP Wachstum von 2,7%, hat sich das Wachstum 2019 auf 1,7% verlangsamt und dürfte sich 2020 bei 1,5% einpendeln. Das liegt immer noch über dem Durchschnitt des Euro-Raums (1,2%), trotzdem ist die Abkühlung auch bei uns zu spüren. Absatzprobleme wie zum Beispiel in der Automobilindustrie gehen auch an den heimischen Zulieferern nicht spurlos vorüber. 
„Da in Österreich 2020 mit einem – wenn auch mäßigen – Wachstum und keiner Anhebung des Zinsniveaus zu rechnen ist, können wir davon ausgehen, dass sich auch die Insolvenzzahlen in etwa auf dem Vorjahresniveau bewegen werden bzw. geringfügig  (1,5-2 %) steigen werden“, kommentiert die Acredia-Ökonomin Marina Machan den nationalen Ausblick. 

China weiterhin im Keller – aber rote Laterne geht erstmals an Chile mit 21% Zuwachs

China reicht 2020 die rote Laterne nach drei Jahren an Chile weiter. Für die Südamerikaner dürften die Insolvenzen im laufenden Jahr um 21% steigen. Nach Chile, der Slowakei (+12%) und Indien (+11%) ist China allerdings auch weiterhin am ganz unteren Ende des Rankings zu finden. Im Reich der Mitte erwarten die Volkswirte für 2020 eine weitere Pleitewelle und einen Anstieg der Fallzahlen um erneut 10% (nach einem bereits massiven Anstieg um rund 20% im vergangenen Jahr), ebenso wie in Singapur (+10%) und Hongkong (+9%).

Brasilien schafft nach 8 Jahren Trendwende 

Für Brasilien erwartet Euler Hermes gegen den weltweiten Trend voraussichtlich 3% weniger Pleiten als 2019, gleichauf mit Ungarn (-3%). Auch Griechenland und Litauen (jeweils -2%) sowie Neuseeland, Polen, Norwegen, Luxemburg und eben Frankreich (alle 0%) können sich der allgemeinen Entwicklung entziehen.
Hingegen verzeichnen die USA und Kanada 2019 und auch 2020 eine Trendwende ins Negative. Seit 2010 waren die Pleiten in den USA jedes Jahr rückläufig. Erst 2019 und 2020 kommt es hier mit +3% und +4% wieder zu einem Zuwachs. In Kanada zeigten Insolvenzen sogar seit 2002 einen stetigen Abwärtstrend vor dem nun erwarteten Anstieg um jeweils 5% im Jahr 2019 und 2020.

Eskalation zum Handelskrieg nicht wahrscheinlich – Deeskalation aber auch nicht

„Wir gehen davon aus, dass wir weiterhin in einem Handelskonflikt-Szenario bleiben", interpretiert Marina Machan die aktuelle Analyse.  „Eine Eskalation zum Handelskrieg erscheint aktuell eher unwahrscheinlich, eine wirkliche Deeskalation zeichnet sich nach unserer Einschätzung allerdings auch nicht ab. Die USA werden vor den Wahlen vermutlich auf eine weitere große Zollrunde verzichten, aber eine Rückkehr zum Niveau der Ära vor Präsident Trump ist auch nicht sehr wahrscheinlich." 

Verschoben ist nicht aufgehoben: Zölle auf europäische Autos nur vertagt

In Europa bangen insbesondere die sowieso schon gebeutelten Autobauer sowie ihre Zulieferer. Zwar hat Präsent Trump die Entscheidung über Zölle auf europäische Automobile wohl auf 2020 vertagt, eine Entwarnung ist dies jedoch keinesfalls.

„Verschoben ist nicht aufgehoben", sagt Meierschitz. „Die Europäische Zentralbank (EZB), Deutschland und die EU insgesamt standen schon mehrfach in Trumps Twitter-Kritik. Die Sorge, dass er in rund sechs Monaten Zölle auf europäische Autoexporte ankündigen wird, ist also alles andere als unbegründet. Zumal eine weitere Eskalation der Zölle auf chinesische Einfuhren zum Eigentor werden könnte, da sie die amerikanischen Endverbraucher direkt treffen würde. Ein Fokus auf Europa, noch dazu in einem amerikanischen Wahljahr, ist wesentlich wahrscheinlicher."

Das europäische Wirtschaftswachstum würde bei Zöllen von 10% rund 0,1 Prozentpunkte verlieren, die kumulierten Exportverluste der EU lägen bei 4 Mrd. EUR – fast die Hälfte davon für deutsche Unternehmen (1,8 Mrd. EUR). Im schlimmsten Fall – bei Zöllen von 25% auf Automobileinfuhren – würden sich Exporteinbußen in der EU auf 12,5 Mrd. EUR belaufen, davon 5,6 Mrd. EUR allein in Deutschland.

Großinsolvenzen: Umsätze und damit Schäden für die Lieferkette steigen drastisch an

Beunruhigend ist auch die Entwicklung bei den Großinsolvenzen bei Unternehmen mit einem Umsatz oberhalb der 50-Millionen-Euro-Grenze. In den ersten neun Monaten 2019 sind diese weltweit zwar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (248) nur um einen Fall auf 249 gestiegen. Allerdings sind die Umsätze der insolventen Großunternehmen auf über 145 Milliarden Euro geklettert und somit um rund 38% höher als noch im Vergleichszeitraum des Vorjahres. 
 
„Der Dominoeffekt bei Großinsolvenzen auf die Lieferkette ist meist sehr groß“, sagt Gudrun Meierschitz. „Je höher die Umsätze der Pleitekandidaten, desto größer die Schäden bei den einzelnen Lieferanten. Deshalb sollte man sich von großen Namen nie zu sehr beeindrucken lassen.“

Hier finden Sie die vollständige Studie zur Entwicklung der weltweiten Insolvenzen: Studie „Global Insolvency Report" (ENG, pdf).

 

Anhänge: 

Pressefoto Gudrun Meierschitz
Pressefoto Marina Machan

09. Januar 2020

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Himmelpfortgasse 29, 1010 Wien

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